- Hefen
- Hefen[althochdeutsch hevo, zu heben], Hefepilze, Sprosspilze, heterogene Gruppe von Pilzen, die ausschließlich oder vorwiegend als Einzelzellen wachsen und nur geringe Zelldifferenzierung zeigen. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt im typischen Falle durch Sprossung. Dabei werden durch Ausstülpung an der Zellwand der Mutterzelle Tochterzellen gebildet, die sich später lösen oder mit der Mutterzelle zu einem Sprossverband vereinigt bleiben. Einige Arten vermehren sich durch Querwandbildung und anschließende Teilung. Neben der rein ungeschlechtlichen Fortpflanzung zeigt eine Reihe von Hefen einen sexuellen Zyklus, wobei zwei haploide Zellkerne verschmelzen und nach Reduktionsteilung genetisch neue Einheiten in Form von Sporen (Askosporen oder Basidiosporen) bilden. Aufgrund dieser sexuellen Zyklen lassen sich solche auch als perfekte Hefen bezeichneten Hefen den Schlauchpilzen (Ascomycetes) oder Ständerpilzen (Basidiomycetes) zuordnen. Eine dritte, den Deuteromycetes angehörende Gruppe von Hefen (imperfekte Hefen) weist keine sexuelle Fortpflanzung auf. Dabei ist nicht in allen Fällen klar, ob diese Hefen tatsächlich keinen sexuellen Zyklus aufweisen oder dieser bisher nur noch nicht beobachtet worden ist. Neuere Untersuchungen des genetischen Materials und der morphologischen Strukturen der Hefen haben völlig neue Aspekte der taxonomischen Zugehörigkeit unterschiedlicher Hefen eröffnet. - Hefen haben große Bedeutung bei der Nahrungs- und Genussmittelherstellung und in der Biotechnologie. Einige Hefen haben einen hohen Vitamin-B-Gehalt (besonders B1, B2, B6). Sie treten aber auch als Verderber von Nahrungsmitteln und Erreger von Mykosen (z. B. Candida) in Erscheinung.In der Getränke- und Lebensmittelherstellung werden einige Hefepilze in großem Umfang eingesetzt. Die Hefezellen (meist 4-6 μm breit und 5-10 μ m lang) können aerob (in Gegenwart von Sauerstoff) atmen und anaerob (in Abwesenheit von Sauerstoff) gären. Bei der Vergärung von Kohlenhydraten (Glucose, Galaktose, Saccharose u. a.) werden Äthanol und Kohlendioxid gebildet. Backhefen werden aus obergärigen Rassen von Saccharomyces cerevisiae hergestellt, die sich durch starke Kohlendioxidbildung, Hitzebeständigkeit und Haltbarkeit auszeichnen. Die Backhefe wird in zuckerhaltigen Nährlösungen (meist Melasse) bei starker Belüftung vermehrt und kommt als Press- oder Trockenhefe in den Handel. Bei den Bierhefen unterscheidet man obergärige (Oberhefen) und untergärige Hefen (Unterhefen). Für die Herstellung von Pilsner Bier wird Saccharomyces carlsbergensis (untergärig), für Weißbier Saccharomyces cerevisiae (obergärig) eingesetzt. Die spontane Vergärung von Traubensaft (Most) erfolgt meist durch Hefen der Gattung Kloeckera. Als wilde Hefen (Wildhefen) werden in der Gärungsindustrie, v. a. in der Bierbereitung, jene Hefen bezeichnet, die in Gattung, Art oder Rasse nicht der erwünschten, gegebenenfalls dem Gärgut zugegebenen Hefereinkultur entsprechen. Die Wirkung der wilden Hefen kann sich in Veränderungen des Endproduktes in Farbe, Geruch und Geschmack äußern. Heute wird die unkontrollierte Gärung durch Wildhefen durch den Zusatz von ausgelesenen Kulturheferassen (Weinhefen) unterdrückt. Die Weinheferassen der Art Saccharomyces ellipsoides unterscheiden sich in Bezug auf Gärvermögen und Aromabildung. Futterhefen (Eiweißhefen) werden auf Substraten vermehrt, die in der Produktion als Nebenprodukte anfallen (z. B. Holzhydrolysate, Sulfitablaugen, Molke).Als Hefen werden auch diejenigen festen Stoffe bezeichnet, die sich nach der alkoholischen Gärung des untergärigen Bieres und des Weines absetzen (Drusen, Geläger) oder bei obergärigem Bier an die Oberfläche steigen (Geest). Der Bodensatz besteht vorwiegend aus lebenden oder toten Hefezellen. Daneben finden sich unterschiedliche Mengen meist organische Stoffe wie Eiweiße, Polyphenole, organische Salze u. a. Die Sequenzierung des Erbgutes der Backhefen (Saccharomyces cerevisiae) wurde 1996 abgeschlossen. Von der Fülle dieser Daten erhoffen sich die Wissenschaftler u. a. neue Möglichkeiten bei der Medikamenten- und Lebensmittelherstellung.
Universal-Lexikon. 2012.